Colleg für Führung und Persönlichkeit

Colleg für Führung und Persönlichkeit
Dieter Hirsmüller

Das gelingende Gespräch

Kommunikative Kompetenz

1. Kommunikation ist mehr als nur reden

„Das, was die Gesellschaft im Grunde zusammenhält,
ist das Gespräch.“
H. G. GADAMER (Dt. Philosoph 1900 – 2002)

Die gelingende Kommunikation ist die Grundlage für ein gutes Miteinander. Sie ist an erster Stelle mitverantwortlich für die Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen. Bei Störungen und Konflikten zwischen Menschen ist oft eine Hilflosigkeit und auch Unwissenheit darüber, was im kommunikativen Prozess abläuft, vorhanden. Dies verwundert auch nicht. Bei den vielen Faktoren, die einen Gesprächsverlauf begleiten, sind Missverständnissen, auch bei noch so guten Absichten, Tür und Tor geöffnet. So ist es lohnend, sich in der Kunst der Kommunikation zu üben.
Mit ihr geht es um weit mehr, als nur um den Austausch von Gedanken und Informationen. Dies wird deutlich bei dem Blick auf die Herkunft des Wortes Kommunikation. Es stammt vom lateinischen „communicare“, was ursprünglich bedeutet „teilhaben lassen, etwas gemeinsam machen, sich mitteilen, sich verständigen, vereinigen“. Kommunikation mit anderen schafft Gemeinschaft (lat. communio), sie hilft, sich aus dem Gefangensein von Ich-Bezogenheit zu befreien. Mit ihr können wir uns gegenseitig befruchten, inspirieren und so auch neue Denk-Räume erschließen. Mit ihr sind wir in Resonanz zu den Mitmenschen und zur Welt.
Das wollte wohl auch der Religionsphilosoph Martin Buber (1878-1965) mit den Worten „Der Mensch wird am Du zum Ich“ vermitteln.

Bei den nun folgenden Überlegungen konzentriere ich mich auf wesentliche Aspekte und praxisorientierte Grundprinzipien, die Sie bei Ihrer Kommunikation unterstützen möchten.

2. Die Wirkkräfte beim Gespräch

Was ist es, was gegenseitiges Verstehen und Übereinstimmen so schwer macht? Warum verlaufen Gespräche trotz guter Absichten unbefriedigend und hinterlassen bei den Beteiligten ein eher schales Gefühl oder gar Frustration und Aggression?
Die Komplexität des Kommunikationsprozesses wird deutlich, wenn wir zunächst einen Blick auf die Beteiligten und die von ihnen ausgehenden Wirkkräfte werfen:

a) Ich selbst mit

  • meinen grundsätzlichen Einstellungen gegenüber anderen Menschen
  • meinen Denk- und Glaubensmustern und Weltsichten
  • meinen Absichten und Zielen, die mir im Gespräch wichtig sind
  • meinen Kenntnissen, Erfahrungen und intellektuellen Möglichkeiten
  • meiner momentanen psychischen und biologischen Verfassung
  • meiner Sprachgewandtheit (Wortschatz, Eloquenz etc.)
  • meinem Selbstwertgefühl, meinem Selbstkonzept

Hinzu kommen die Erkenntnisse über die innere Pluralität (Schulz v. Thun) des Menschen. Sie beinhalten, dass sich in uns meistens nicht nur eine, sondern mehrere Stimmen melden. Oft sind es sich widersprechende Stimmen. Die damit verbundene innere Zerrissenheit und innere Widersprüchlichkeit beeinflussen das kommunikative Verhalten. Welche Stimme behält die Oberhand? Welche wird ausgesprochen? So kann beispielsweise etwas anderes gesagt werden als das, was man denkt oder was man wirklich möchte.

b) Partner mit

denselben Einflussgrößen.
Von den Gesprächspartnern schwingen vergleichbare Wirkkräfte mit, natürlich mit anderen Gewichtungen, anderen Akzenten.

c) Das Umfeld

Auch das Umfeld eines Gespräches beeinflusst den Verlauf. Kommunizieren wir im Büro? Zu zweit oder in der Gruppe? Im Kreis der Familie? Vielleicht in der freien Natur? Im Café?
Wie ist die Atmosphäre? Spielen Personen, die nicht am Gespräch beteiligt sind, eine Rolle?

Diese Wirkkräfte lassen uns die Komplexität von Kommunikation erkennen. Sie bestätigen, dass ein Knäuel von Einflüssen, meistens den Beteiligten gar nicht bewusst, den Gesprächsverlauf und das Ergebnis entscheidend mitbestimmen.

Hinzu kommt eine grundsätzliche Problematik zwischen dem Sender und dem Hörer einer Botschaft. Die Gesprächspartner gehen im Allgemeinen davon aus, dass ihre Worte und das, was sie eigentlich meinen, der Gleichung 1 : 1 gemäß auch beim anderen ankommen. Abgesehen davon, dass oft schon beim Sprechenden eine Diskrepanz zwischen Gesagtem und Gemeintem vorliegt, erfahren wir aber nicht selten, dass die Hörenden nur Teilaspekte oder vielleicht sogar etwas ganz anderes empfangen. Die Ursache für diese Diskrepanz liegt vor allem in der Art der Wahrnehmung und der Deutung des Wahrgenommenen durch die Hörenden. Deshalb gilt:

Die Botschaft ist das, was beim anderen ankommt.
Also nicht nur das, was und wie etwas gesagt wird, ist für die Verständigung entscheidend, sondern vor allem das, was vom anderen verstanden und gedeutet (interpretiert) wird.
Dies unterstreicht auch die Bedeutung eines konstruktiven Feedbacks.

Konrad Lorenz (Verhaltensforscher, 1903 – 1989) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, „dass gesagt nicht gehört bedeutet, dass gehört nicht verstanden bedeutet, dass verstanden nicht einverstanden bedeutet, dass einverstanden nicht angewendet bedeutet und dass angewendet nicht beibehalten bedeutet“.
Schon das Wissen um diese beeinflussenden Faktoren macht sensibler und hellhörig für das, was zwischen Menschen abläuft, bzw. ablaufen kann. Und es vermittelt, dass wirkliche Verständigung hohe Ansprüche an die Beteiligten stellt.
Wohl auch vor diesem Hintergrund sprach der Philosoph H.G. Gadamer „Vom Wunder des Verstehens“.

3. Zentrale Kriterien kommunikativer Kompetenz

  • Kommunikation geschieht immer auf einer Sach-Ebene und einer Beziehungs-Ebene. Einmal geht es um die Sache, also um Daten und Fakten und zum anderen um die sogenannten weichen Faktoren wie Stimmungen, Gefühle, um beziehungsorientierte Aspekte wie Vertrauen, Sympathie usw. Auch wenn ein Sach-Thema im Vordergrund steht, immer schwingen diese oft noch unterschätzten weichen Faktoren mit, ja, sie sind „tonangebend“ und wesentlich mit entscheidend für gegenseitiges Verstehen und für das Gesprächs-Ergebnis.
  • Nach dem Vier-Seiten-Modell von F. Schulz v. Thun werden diese beiden Aspekte um zwei weitere erweitert. Jede Botschaft, die wir senden, beinhaltet einen Sach-Aspekt, einen Beziehungs-Aspekt, einen Selbstoffenbarungs-Aspekt (immer wenn wir sprechen, sagen wir etwas über uns selbst aus) und einen Appell-Aspekt (wir wollen etwas erreichen, bewirken). Dies heißt aber auch, dass der Empfänger mit vier Ohren hört (hören sollte), nämlich mit einem Sach-, einem Beziehungs-, einem Selbstoffenbarungs- und einem Appell-Ohr. Der Empfänger entscheidet, bewusst oder unbewusst, welche Aspekte er vor allem hört, welches Ohr besonders offen ist. So sind beispielsweise Menschen mit einem großen Beziehungs-Ohr in der Gefahr, sich schnell auf eine emotionale Ebene zu manövrieren, mit all den Komplikationen. Die Folge ist „Beziehungs-Stress“, das eigentliche Sachthema gerät aus dem Blickfeld.
  • Mit der Feststellung „Der Körper lügt nicht“ wird der Stellenwert der non-verbalen Signale, der Sprache des Körpers, hervorgehoben. Sie lesen und angemessen deuten zu können hilft, ein Gespräch gelingend zu beeinflussen. Hier ist auch der bekannte Satz von P. Watzlawick „Man kann nicht nicht kommunizieren“ einzuordnen. Auch wenn wir schweigen, der Körper spricht immer.
  • Die gezielte Vorbereitung eines Gesprächs ist wichtig. Dabei sollte man sich auch mental auf die Partner einstellen.
  • Passendes Feedback ist wertvoll für alle Beteiligten. Es sollte immer konstruktiv und konkret sein, dabei Vorwürfe und moralische Bewertungen vermeiden.
  • Feedback geben, ebenso wie Kritik üben ohne zu verletzen, gelingen im Allgemeinen eher mit einer „Ich-Botschaft“: Die Situation (z. B. das Verhalten des Partners) wird zunächst nicht bewertet, sondern es wird kommuniziert (rückgemeldet), was „ich“ wahrgenommen (gehört, gesehen, gelesen ...) habe und was dies für mich (evtl. auch für das Umfeld) bedeutet. Z. B. „Ihr Bericht enthält bei Punkt ... eine falsche Zahl, richtig ist ... Dieser Fehler führte dazu, dass ...“. Falls passend, kann eine emotionale Betroffenheit hinzugefügt werden, z. B. „Es ist ärgerlich, dass ...“.
  • Wenn Emotionen, Aggressionen ins Spiel kommen, sind wir in der Kunst der Kommunikation besonders gefordert. Es besteht die Gefahr, sich in der Falle archaischer Notfallprogramme (zurückschlagen, laut werden) zu verfangen. Wir können sie vermeiden, bzw. uns aus ihr befreien, durch eine bewusste Wahrnehmung dessen, was jetzt abläuft (Meta-Ebene einnehmen – s. unten) oder durch die Konzentration zum Beispiel auf den Atem.
  • Passende Fragen und die Haltung „mehr erkunden und weniger plädieren“ sind weitere Möglichkeiten, Gespräche offen und für die Beteiligten befriedigend zu führen.
  • Hinderlich für die gute Kommunikation sind Vorwürfe, Drohungen, Moralisieren, Bagatellisieren, Urteilen, Schmeicheleien, Rechthaberei, billiger Trost u.a. Sie verursachen Gesprächsblockaden.
  • Eine Inventur der üblichen Redewendungen und des Standardwortschatzes kann dazu beitragen, sich mehr und mehr auf eine positiv besetzte Sprache zu konzentrieren. Mit ihr richten wir die Aufmerksamkeit auf Lösungen mit dem Blick nach vorne. Für negatives Reden und Jammern (über die gesellschaftlichen Zustände, über andere, über ...), das vor allem auch Lebensenergie kostet und das andere infiziert, ist dann wenig Raum.
  • „Ich wirke immer!“ Diese Tatsache hat Folgen. Sie macht bewusst, dass vom verbalen und non-verbalen Verhalten immer eine Wirkung auf andere ausgeht, ob man dies will oder nicht, ob es einem bewusst ist oder nicht. Immer beeinflussen wir, schon alleine mit unserer Präsenz, das Umfeld und dabei vor allem die Atmosphäre. Wir motivieren oder demotivieren die anderen, gewollt oder ungewollt.
  • Eine Erfahrung: „Nicht harte Worte bringen weiter, sondern klare, zielorientierte Worte“ – in einem angemessenen, respektvollen Ton!

ZUM INNEHALTEN

  • Welche der hier vorgestellten Kriterien hat Sie besonders angesprochen?
  • Welche wollen Sie künftig stärker bedenken?
  • Wollen Sie sich über diesen oder jenen Aspekt mit anderen austauschen?
  • Besprechen Sie vor dem Hintergrund dieser Kriterien gemeinsam mit den Menschen, mit denen Sie regelmäßig kommunizieren (Familie, am Arbeitsplatz, ...), „Spielregeln“. Beispielsweise zu der Frage „was ist uns wichtig beim Miteinander?“ Sie können eine wertvolle Hilfe sein, auch um Konflikten vorzubeugen.

4. Die Macht der Worte

Worte waren es, die die Welt bewegten, Worte sind es, die sie heute bewegen. Zu allen Zeiten wurden Worte von Herrschenden, von Demagogen als Machtinstrument benutzt. Und große Persönlichkeiten der Geschichte haben mit ihren Worten Hoffnung und Heil vermittelt und Licht in das Dunkel von Menschenherzen gebracht.
Auch in unserem Alltag ist die Macht der Worte allgegenwärtig. Die Worte, die wir sprechen, können ermutigen und motivieren, aber auch entmutigen und herunterziehen. Sie können die Stimmung bis zur Begeisterung fördern, aber auch das Klima vergiften.
In dem Wissen um die Macht der Worte und um die Tatsache, dass jedes Wort Wirkung hat, können wir uns in der positiven Sprache üben.

ZUM INNEHALTEN

  • Kennen Sie Ihren üblichen Wortschatz, Ihre Redewendungen? Wollen Sie sie ergänzen, korrigieren?
  • Waren Ihre Worte von heute (zu Hause, am Arbeitsplatz, …) mutmachend oder eher entmutigend?
  • Welchem Menschen möchten Sie heute oder diese Woche mit einem aufbauenden Wort begegnen?
  • Nehmen Sie sich vor (vielleicht zunächst nur einen Tag lang), jegliches negative Reden oder Klagen (vor allem über andere, über Vorgesetzte, über die Politik, über ...) zu vermeiden.
  • Sensibilisieren Sie auch andere zu dieser Haltung. Wenn im Umfeld gejammert und geklagt wird, lenken Sie mit Ihren Worten einfach um auf Themen mit positiven Inhalten.

5. Zuhören – Hinhören
Ein Königsweg der Kommunikation

Ein wichtiges Merkmal der guten Kommunikation ist die Fähigkeit des Zuhörens und Hinhörens.

„Gott hat uns zwei Ohren gegeben, aber nur einen Mund,
damit wir doppelt soviel hören wie sprechen.“
EPIKTET
(GRIECH. PHILOSOPH – 50 – 125 N. CHR.)

Dieser Impuls, den der Philosoph vor 2000 Jahren gab, hat nichts von seiner Bedeutung verloren, vielleicht ist er heute noch dringlicher geworden.
Mit aufmerksamem Zuhören signalisieren wir dem anderen Interesse und unsere Wertschätzung. Es unterstützt den konstruktiven Dialog. Vor allem aber fördert Zuhören Denk- und Klärungsprozesse des Sprechenden. Dies kommt auch in dem Aufsatz von Heinrich v. Kleist (1777 – 1811) „Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden“ zum Ausdruck. Kleist empfiehlt für die Lösung von Problemen mit anderen zu sprechen, wobei es nicht darauf ankommt, dass der Zuhörende bezüglich des Sachverhaltes kompetent ist. Die Ideen, die Gedanken für Lösungen kommen beim Aussprechen dessen, was einen bewegt. Eine ähnliche Erfahrung hatte wohl der Physiker A. Einstein (1879 – 1955). Von ihm ist bekannt, dass er sich zu seinen anspruchsvollen physikalischen Erkenntnissen mit seiner Schwester, die von Physik wohl eher bescheidene Kenntnisse besaß, ausgetauscht hat.
Bedeutungsvoll ist bewusstes Zuhören auch dann, wenn dem Sprechenden die Gelegenheit zum Ausdrücken von belastenden Erfahrungen und den damit verbundenen Gefühlen geboten wird. Das vorbehaltlose Aussprechen vor einer zuhörfähigen Person trägt bei, die Last negativer Emotionen leichter zu machen, vielleicht sogar abzugeben.

Worauf kommt es an beim Zuhören?

  • Voraussetzung ist die wache Aufmerksamkeit, am besten mit der Haltung „der wichtigste Mensch ist der, der dir gerade gegenüber sitzt.“
  • Unterbrechen Sie nur, wenn es unbedingt sein muss.
  • Nehmen Sie sich bewusst die Zeit, sind Sie mit Geduld und einem inneren Wohlwollen in der Rolle des Zuhörers.
  • Seien Sie sich bewusst, dass Sie trotz verbaler Passivität aktiv an einem dialogischen Prozess beteiligt sind, der beide Gesprächspartner bereichert.

Ergänzend dazu möchte ich Ihnen das Konzept von Carl Rogers (amerik. Psychologe, 1902 – 1987), das unter dem Begriff „aktives Zuhören“ bekannt ist, empfehlen. Es eignet sich für jede Art von Kommunikation. Es empfiehlt

  • bei Unklarheiten nachzufragen.
  • sich immer wieder in den anderen hineinzuversetzen, Empathie zu zeigen.
  • die eigenen Gefühle und die des Partners zu beachten und sie gegebenenfalls anzusprechen.
  • durch kurze verbale Äußerungen oder durch non-verbale Weise Präsenz zu signalisieren.

Paraphrasieren fördert Verstehen
Eine beeindruckende Erfahrung machen wir mit der Übung des Paraphrasierens. Mit ihr erleben wir ganz konkret, wie schwer es uns fällt, wirklich zuzuhören und auch zu verstehen, was der andere vermitteln möchte. Wir registrieren, wie stark wir üblicherweise auf uns selbst, unsere Interessen und Muster und mögliche Antworten fixiert sind und wie herausfordernd es ist, die Botschaft des Partners auch wirklich zu verstehen.

ZUM INNEHALTEN

  • Nehmen Sie sich vor, täglich oder einmal in der Woche, einem Menschen bewusst zuzuhören. Fünf oder zehn Minuten, unter Berücksichtigung der obigen Anregungen.
  • Falls Sie sich zu einem aktuellen Thema in einem Klärungsprozess befinden und zu Lösungswegen noch unsicher sind, bitten Sie eine Person Ihres Vertrauens, Ihnen zuzuhören. Schildern Sie das, was Sie gerade bewegt, worauf Sie eine Antwort suchen. Der Partner hört nur zu und kommentiert nur dann, wenn Sie es wünschen. Besprechen Sie vor Beginn die obigen Anregungen zum Zuhören.

6. Meta-Kommunikation

Selbst wenn die Gesprächspartner sich wohlgesonnen und mit besten Absichten begegnen, sind Missverständnisse allgegenwärtig. Sie sind trotz der vielen verfügbaren Einsichten und psychologischen Hintergründe menschlichen Verhaltens und auch zwischen kommunikativ geschulten Beteiligten kaum zu vermeiden. Zu vielschichtig, zu komplex sind die Faktoren, die den Gesprächsverlauf und die beteiligten Personen beeinflussen.
Nach meinen Erfahrungen liegt die Tragweite misslingender Kommunikation nicht in den eigentlichen Missverständnissen, sondern in der Unfähigkeit, diese zu erkennen, sie ernst zu nehmen, um sie dann möglichst konstruktiv zu bereinigen.
Das Bild des im tiefen Meer schwimmenden Eisbergs veranschaulicht das, was beim Gespräch oft geschieht: Das gesprochene Wort und die wahrnehmbaren körperlichen Signale sind vergleichbar mit der Spitze des Eisbergs, die für alle sichtbar aus dem Wasser herausragt. Vieles, vielleicht das Entscheidende, steckt in der Tiefe und bleibt so zunächst verborgen. Zum Beispiel verdrängte Erfahrungen, versteckte alte Konflikte, nicht sichtbare Emotionen. Diese aus der Tiefe mitschwingenden Kräfte ans Licht zu bringen und für die Partner verständlich zu machen, gehört zur Kunst einer gereiften Kommunikation. Ihr ist besonders daran gelegen, diese Tiefendimension mit zu bedenken und vor allem, die jeweiligen Wirklichkeiten der Gesprächspartner zu einer gemeinsamen Wirklichkeit werden zu lassen.

In dieser Absicht ist die Meta-Kommunikation ein sehr empfehlenswerter Weg. Mit ihr betrachten wir einen Gesprächsverlauf oder eine Begegnung aus der Position eines neutralen Beobachters. So gewinnen wir Distanz zum subjektiven Erleben und beobachten aus der Position der Sach-Ebene, was in einem Gespräch abläuft, bzw. ablief. Wir nehmen gedanklich die Position eines nicht beteiligten Dritten ein.
Ziel der Meta-Kommunikation ist, dass sich die Partner über ihre wirklichen Absichten und Ziele verständigen und sich dabei ihrer eigenen Interpretationen und der in der Tiefe liegenden Beweggründe bewusst werden.

Meta-Kommunikation in der Praxis

Wenn wieder einmal ein Gespräch unbefriedigend verläuft, Sie selbst und vielleicht auch der Gesprächspartner das Gefühl haben, nicht wirklich verstanden worden zu sein, haben Sie den Mut zur Meta-Kommunikation.
Sie können dies zunächst alleine tun, dann aber auch zusammen mit dem Partner.
Sie betrachten dann gemeinsam rückblickend den Verlauf des Gesprächs: Wie wurde von den Partnern argumentiert? Wie haben sie reagiert? Welche non-verbalen Signale haben sie gesendet?
Sie können sich z. B. zu den Fragen verständigen „Was haben Sie verstanden?“ oder „Was haben Sie mit den Worten...“ wirklich gemeint? oder „Was hat Sie an meinen Aussagen so geärgert?“.
Wichtig bei dieser Rückschau ist, zunächst nicht zu werten, also möglichst vorurteilsfrei das Geschehene zu betrachten und sich darüber auszutauschen.
Voraussetzung für diese Übung ist, dass Ihr Partner die Bereitschaft mitbringt. Falls es notwendig ist, besprechen Sie zuvor Gründe und Zusammenhänge der Meta-Kommunikation.

(Diese Texte stammen aus meinem Buch „Mutmacher SEIN / Staunen – Leben – Lieben / Wege zu persönlichem Wachstum“ - 2014)
Dieter Hirsmüller