Colleg für Führung und Persönlichkeit

Colleg für Führung und Persönlichkeit
Dieter Hirsmüller

Positionspapier

"Plädoyer für einen Paradigmenwechsel"

Vom „äußeren“ Wachstum zum „inneren, persönlichen“ Wachstum des Menschen

Zur Einstimmung

Die Welt ist in Unruhe und Bewegung wie wohl kaum je zuvor. Die Welt im Großen, aber auch die Welt im Kleinen, die Welt jedes Einzelnen.
So sind nach meiner Einschätzung vor allem Antworten zu zwei großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, gefragt:
- Wie können wir mit den Folgen und Begleiterscheinungen eines epochalen Wandels, von denen jede und jeder Einzelne direkt betroffen ist, umgehen und wie können wir ihn so mitgestalten, dass sich das individuelle Leben und das gesellschaftliche Miteinander heute und auch für die Menschen nach uns lebenswert entwickeln?
- Damit eng verknüpft: Wie können wir Bewusstheit für das so dringliche nachhaltige Denken und Handeln in den Köpfen und Herzen der Menschen fördern?

Welche Antworten gibt es, welche können wirklich weiterführen?
Mit diesem Papier vertrete und begründe ich die Position, dass es vor allem auf eines ankommt:

Auf einen Paradigmenwechsel, der eine radikale Umorientierung vom gewohnten äußeren Wachstum zum inneren, persönlichen Wachstum des Menschen beinhaltet.

Die hier vertretenen Positionen sind auch gewachsen vor dem Hintergrund jahrzehntelanger Erfahrungen bei der Begleitung von berufstätigen Menschen unterschiedlichster Fachrichtungen – mit und ohne Führungsverantwortung.
Sie wollen anregen zum kritischen Dialog, wohlwissend, dass es in Anbetracht der Größe und Komplexität von Leben und der anstehenden Fragen nicht „die“ Antwort gibt.

Die Themen dieses Positionspapieres
1. Ein Blick in die Lebenswelten von heute
2. Oft vernehmbare Antworten
3. Eine ganz andere Antwort:
Vom „äußeren“ zum „persönlichen, inneren“ Wachstum.
Die Pflege der Wurzeln von Mensch-Sein.

1. Ein Blick in die Lebenswelten von heute

Der Mensch auf der Suche nach Orientierung und Halt

Mit Respekt und Bewunderung können wir in unserem Kulturkreis auf materielle, soziale und technische Errungenschaften schauen, die sich der Mensch nutzbar machen kann und die ihm das Leben erleichtern.
Wir wissen und vermögen auf technischen Feldern und in anderen wissenschaftlichen Disziplinen so viel mehr als die Menschen vergangener Zeiten, wir leben materiell in ganz anderen Dimensionen als sie.
Auch die uneingeschränkte Möglichkeit, in einer demokratischen Gesellschaftsordnung sich an politischen Prozessen beteiligen, sich frei bewegen und sich ganz individuell entfalten zu können, ein umfassender Zugang zu Bildung und Wissen, die wirtschaftliche und soziale Absicherung des Einzelnen sind Fortschritte, von denen unsere Vorfahren nur träumen konnten und von denen ein Großteil der Menschheit noch weit entfernt ist.

Der Mensch von heute ist aber auch mit ganz neuen Herausforderungen konfrontiert.
Einige seien genannt:

  • Unsere Welt, unser Leben ist pluralistischer geworden und damit auch komplexer.
  • In fast jedem Gesellschafts- und Lebensbereich finden wir eine Vielzahl von Konzepten und Vorstellungen, die sich oft widersprechen, sich gegenseitig ausschließen, sich aber auch ergänzen.
  • Persönliche Bindungen und Verbindlichkeiten nehmen ab zugunsten einer Individualisierung.
  • Es gibt kaum noch allgemeingültige und verbindliche Instanzen und Gewissheiten. Übergeordnete Kriterien für richtig und falsch sind kaum noch anzutreffen oder werden kaum noch akzeptiert. Werte und Moral werden oft beliebig, subjektiv definiert. Der gewohnte Unterschied zwischen „normal“ und „unnormal“, „erlaubt“ und „unerlaubt“ ist aufgeweicht. Althergebrachte Werte und Regeln verlieren ihre ordnende Bedeutung.
  • Lebensstile in Bezug auf Partnerschaft und Familie sind vielfältig geworden: Traditionelle Ehe, gleichgeschlechtliche Ehe, Singles, Patchwork-Familien, Partnerschaften auf Zeit, Rollenveränderung zwischen Mann und Frau.
  • Vermischung von realen und virtuellen Welten. Virtuelle Welten fördern Zweifel an dem, was wirklich ist.
  • Zu den großen Institutionen (der Politik, Wissenschaft, Kirchen u.a.) schwindet das Vertrauen, sie verlieren an Einfluss und Glaubwürdigkeit.
  • Lang bewahrte Geheimnisse der Menschheit stehen weitgehend jedem offen: Themen aus Wissenschaft, Kulturen, Weisheitslehren u.a. sind jederzeit abrufbar.
  • Gravierende Veränderungen im Wirtschafts- und Arbeitsleben, neue Formen von Führungsstrukturen und Zusammenarbeit, zunehmende Digitalisierung bei Arbeitsprozessen etc.
  • Die begründete Sorge um die Zukunft unseres Planeten vor dem Hintergrund eines oft verantwortungslosen Energie- und Ressourcenverbrauchs (jetzt schon zunehmende Naturkatastrophen und extremer Klimawandel).
  • Kaum vorstellbare kriegerische Auseinandersetzungen in den Krisenherden der Welt, aber auch extreme politische, polarisierende Entwicklungen (auch in demokratisch orientierten Ländern) beunruhigen. Eine wohl noch nie so empfundene Unordnung scheint die kleine und die große Welt ergriffen zu haben.

Diese Entwicklungen wurden und werden auch gefördert durch eine Geschichtsvergessenheit, einhergehend mit einer Respektlosigkeit gegenüber den Leistungen derer, die in der jahrtausendelangen Menschheitsgeschichte den Boden für uns Heutige (oft) unter härtesten, kaum noch vorstellbaren Bedingungen bereitet haben. Und damit verbunden eine oft beobachtbare Geringschätzung der in den vergangenen Jahrzehnten erzielten enormen, bestaunenswerten Fortschritte in nahezu allen gesellschaftlichen Feldern (s.vorne), die jedem, jeder Einzelnen zugutekommen.

Vor diesem Hintergrund erleben wir immer mehr Menschen, die die heutigen Entwicklungen eher gespalten, eher mit skeptischem Blick einschätzen, die sich belastet und besorgt fühlen. Ratlosigkeit, Zukunftsängste, persönlicher Druck durch Zeit- und Sachzwänge, psychische Erkrankungen sind zu Begleiterscheinungen des Menschen geworden.
Wir registrieren, dass der Mensch (zumindest in unserem Kulturkreis) so frei ist wie wohl noch nie, dass er vieles hinzugewonnen hat, aber auch, dass existenziell Wichtiges zu fehlen scheint.
So überrascht es nicht, dass grundlegende Fragen des Lebens und des Miteinanders drängender geworden sind. Fragen nach dem Sinn des Ganzen, nach dem Sinn des eigenen Tuns und Handelns. Und Fragen nach einer lebenswerten Zukunft für unsere Kinder und Enkelkinder.
Was kann Antwort, was kann Halt und Orientierung geben?

2. Oft vernehmbare Antworten

Die vielfältigen Stimmen aus Politik, Wissenschaft und von anderen gesellschaftlich Verantwortlichen zu den grundlegenden Fragen der Zeit fallen ganz unterschiedlich aus. Sie beinhalten vorwiegend Forderungen an die Politik, an die führenden Köpfe der Gesellschaft. Oder man erwartet Lösungen von einem politischen oder volkswirtschaftlichen Systemwechsel und insbesondere auch von einer weiter entwickelten Digitalisierung in allen Lebensbereichen.
Und dann wird immer wieder die Notwendigkeit von verstärktem wirtschaftlichem Wachstum gefordert. Es wird argumentiert, Wachstum sei Voraussetzung, um die Herausforderungen der Zeit zu bewältigen und um die Zukunft einer enger zusammenrückenden Welt verantwortbar zu gestalten.

Bei fast allen dieser Stimmen vermisse ich eine zentrale und aus meiner Einschätzung wegweisende und auch unabdingbare Voraussetzung für den notwendigen Wandel:

Der Aufruf zur Verantwortung nicht nur der politisch Handelnden und anderen Führungspersonen der Gesellschaft, sondern insbesondere zur Verantwortung des/der Einzelnen und damit verbunden:
Die Sensibilisierung für die Möglichkeiten, die Jede und Jeder hat, um eine lebenswerte Gegenwart und Zukunft zu gestalten. Sie findet ganz selten oder gar keine Beachtung!

Besonders bedenklich ist nach meinen Beobachtungen und konkreten Erfahrungen, dass nicht wenige Verantwortliche, die als Entscheidungsträger und Meinungsbildende wirken und die letzten Endes als Leitfiguren der Gesellschaft gelten, sich dem Sog der Moderne nicht entziehen können.
Nicht selten sind auch sie von einer Zeitgeistmentalität beherrscht, die fast zwanghaft von äußeren Dingen, von „Haben“ geprägt ist. Sie gelten zwar oft als hervorragende Experten ihrer Fachgebiete, doch der Blick auf das Ganze und für die zentralen Themen von Leben und Mensch-Sein scheint getrübt. Ihr „Vorbild“ aber wirkt in die Breite der Gesellschaft.
(Dazu siehe auch ein Zitat aus einer Vorlesung von Prof. Hessen an der Universität Köln im Semester 1931/32, Anl. 1: „Der begrenzte Blick der Wissenden und Experten“).

Und: Es wird scheinbar kaum bedacht, dass alles Reden über das so dringend erforderliche Umdenken zu nachhaltigem Verhalten und zur Zukunft unseres Planeten, dass alle Appelle und Mahnungen gut gemeint sein mögen und zum Nachdenken anregen, doch: ändern sie wirklich Entscheidendes? (s. nachfolgende Beispiele).

Mit Beispielen, die für viele andere Stimmen von Meinungsbildenden stehen, möchte ich dies konkretisieren:

1. Im Mittelpunkt einer das Publikum beeindruckenden Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler zum 25-jährigen Bestehen der „Deutschen Bundesstiftung Umwelt“ stand die Frage „wie Veränderung möglich ist in einer Atmosphäre des Unbehagens und der Polarisierung“. Für die „große Transformation“ erscheinen Herrn Köhler drei Schritte wichtig.
Ich zitiere:
„Die Politik muss erstens das Unbehagen selbst wahrnehmen und verstehen lernen.“.
„Die Politik muss zweitens die komplexen Faktoren, die zu diesem Unbehagen beitragen, transparent machen, weil Angst auch aus Unkenntnis erwächst“.
„…Auf dieser Grundlage muss dann drittens konkrete Politik gestaltet werden, die sich nicht in Symbolhandlungen erschöpft, sondern echte Veränderung bringt.“
Resümee: So sehr diese Forderungen berechtigt sein mögen: Die Verantwortung für eine Neuorientierung liegt schwerpunktmäßig bei der Politik.

2. In ihrem bei rowohlt erschienenen Buch „Geht alles gar nicht“ versuchen die ZEIT-Chefredakteure Marc Brost und Heinrich Wefing zu begründen, warum „Kinder, Liebe und Karriere“ nicht vereinbar sind.
Sie erheben den Vorwurf der „Vereinbarkeitslüge“, die von allen verbreitet werde. Es ist ein empfehlenswertes Buch, weil viele Fakten und Hintergründe der Herausforderungen für berufstätige Paare mit Kindern sachlich dargestellt werden. Die ganz konkreten Alltagserfahrungen führen die Ansprüche an die Eltern von heute deutlich vor Augen.
Resümee:
Aber, auch M. Brost und H. Wefing erwarten Veränderungen bezüglich der Vereinbarkeit von Karriere und Familie von der Politik, von der Wirtschaft, von den „Chefetagen“, von anderen gesellschaftlich Verantwortlichen. In einem Schriftwechsel mit Herrn Brost habe ich zu einigen Punkten des Buches Position bezogen, auch mit dem Schwerpunkt „Selbstverantwortung“.

3. In einer Fernsehsendung des BR diskutierte der Moderator Ch. Süß mit dem Astrophysiker Harald Lesch zur Frage „Sind wir noch zu retten?“.
Im Mittelpunkt standen aktuelle Themen wie Ressourcenverschwendung, Flüchtlinge, Populismus, Gefahren der Digitalisierung, Überschussproduktion von unnützen Dingen, zunehmende Egozentrik u.a.
Die wesentlichen Antworten von H. Lesch:
„Kapitalismus und Finanzmärkte sind hauptverantwortlich für das, was schiefläuft“,
„viel mehr Menschen sollten sich empören“,
„den Populisten muss argumentativ begegnet werden“,
„wir müssen Geduld haben und hoffen, dass sich die Dinge beruhigen“,
„ich hoffe, dass der Kant’sche Aufklärungsgedanke weitergeht“.
Resümee:
So zutreffend diese Punkte sein mögen, auch H. Lesch verwendete keinen Gedanken an die Möglichkeiten des Einzelnen, an die Selbstverantwortung. Auf meine diesbezügliche telefonische Kritik gab mir Herr Süß vom BR die Antwort, Herr Lesch sei eben Physiker und Antworten auf gesamtgesellschaftliche Fragen seien von ihm nicht zu erwarten.

4. Die vor wenigen Jahren vom Deutschen Bundestag eingesetzte Enquete-Kommission, besetzt mit Vertretern der Politik und Experten der Wissenschaft, hatte die Aufgabe, Zukunftsvorstellungen zum Thema „Wachstum-Wohlstand-Lebensqualität“ zu erarbeiten. Man beschäftigte sich unter anderem mit den Grenzen von Wirtschaftswachstum, mit Ökologie, mit gesellschaftlichem Wohlstand, mit sozialer Sicherung, mit Fragen des künftigen Lebensstandards.
Meine nachfolgend begründete Forderung nach persönlichem Wachstum, das den Menschen zur verantwortungsbewussten, demokratiefähigen Persönlichkeit reifen lässt, war bei der Präsentation der Ergebnisse kein Thema. Zumindest war es nicht in der hier formulierten Klarheit und Entschiedenheit vernehmbar.

5. Bei fast allen Reden, Verlautbarungen und Konzepten zu gesellschaftlichen Entwicklungen besitzen die Begriffe Künstliche Intelligenz (KI)/Digitalisierung einen hohen Stellenwert.
Ihnen wird höchste Priorität beigemessen. Ja, man könnte glauben bei dem, was in fast allen gesellschaftlichen Feldern unter „KI“ und „Digitalisierung“ angepriesen wird, das Wohlergehen und Überleben der Menschheit hänge von einer noch intensiveren Nutzung technischer Möglichkeiten ab. So hilfreich diese auch sind, so sehr sie uns das Leben erleichtern können, Technik ist immer nur Hilfsmittel und sollte es auch bleiben. Und man möchte den Protagonisten der digitalen Euphorie zurufen: „Es ist beeindruckend, was uns die heutige Technik zu bieten hat. Aber bitte vergessen sie nicht, Menschen sind Menschen. Menschen, mit all ihren Bedürfnissen, Sehnsüchten und Nöten. Auf viele der wirklich existenziellen Grundthemen von Mensch-Sein können keine noch so fein justierten Apparate, keine emotionslosen Roboter antworten.“
Resümee:
Die wenigen hier genannten Stimmen und Vorstellungen zur Zukunft der Menschheit ließen sich beliebig, mit immer wieder unterschiedlichen Akzenten, fortsetzen. Sie sind ein Spiegelbild dessen, was uns heute von Verantwortungsträgern und Meinungsbildnern über die Medien vermittelt wird.
Ihr Grundtenor:
Lösungen werden von „Anderen“ oder vom „System“ oder von … gefordert und erwartet.
Die Anfrage an das Individuum, an sich selbst, das Prinzip „Eigenverantwortung“, sind ganz selten ein Thema. Man scheint die so bedeutsame Lebenserfahrung zu ignorieren, dass alles wohlgemeinte Reden und Appellieren oft nur Worte bleiben, wenn sie nicht mit einer persönlichen Betroffenheit verknüpft sind.
Ergänzend dazu wenige, zufällig gewählte Beispiele von „Prominenten“- Reden:
Bundeskanzler Kohl sprach von einer notwendigen „geistigen Wende“,
Bundespräsident Herzog erfuhr besondere Aufmerksamkeit mit seiner sogenannten „Ruckrede“ und
Bundespräsident Steinmeier trat bei der letzten Neujahrsansprache als „Mutmacher“ auf.
Was haben sie bewirkt?

3. Eine ganz andere Antwort:
Vom „äußeren“ Wachstum zum „persönlichen, inneren“ Wachstum

Die Pflege der Wurzeln des Lebens

Durch die vorne beschriebenen Verunsicherungen, durch die unablässige, fest eingefahrene Hinwendung zu äußeren Dingen, zu Technisierung, zu materiellem Besitz und Wohlstand vernachlässigt der Mensch Grundlegendes, existenziell Tragendes:

Die Wurzeln von Mensch-Sein, die Wurzeln des eigenen Lebens.

Es sind aber gerade die Wurzeln, die als Fundament, als Nährboden, ein gelingendes persönliches Leben und ein bereicherndes Miteinander in der Gesellschaft möglich machen.
Ein Bild aus der Natur, das Bild des Baumes, möge dies noch eindringlicher vor Augen führen.
Der gesunde Baum ist Symbol für Schönheit, Stärke, Standfestigkeit und Fruchtbarkeit. In den von Jahr zu Jahr wiederkehrenden Jahreszeiten ist er ein Spiegelbild für Wachsen und Vergehen, für Neuerwachen im Frühling und Reifen im Herbst. Dies ist möglich, weil der Baum getragen und genährt wird von starken, gesunden Wurzeln im Erdreich, aus dem er Nahrung bezieht. Sie sind für den Betrachter meistens verborgen und doch so elementar für Wachstum und das Heranreifen der Früchte.

Wir können dieses Bild übertragen auf uns Menschen. Auch wir bedürfen Halt gebender und nährender Wurzeln. Auch wir sind dazu bestimmt, zu wachsen, uns zu entfalten und Früchte zu bringen.
Und auch für uns Menschen gilt die Erfahrung des Gärtners, dass kränkelnde Erscheinungen vor allem mit der Pflege und dem Wachstum der Wurzeln geheilt werden können.

Doch wie reagiert der Mensch auf Herausforderungen, auf krisenhafte Erfahrungen?
Ist es nicht so, dass eher an der Krone – des Lebensbaumes - laboriert wird, dass eher Äste und Zweige therapiert werden? Ist es nicht so, dass die sorgsame Pflege der wichtigen, kraftspendenden Wurzeln vernachlässigt, vielleicht sogar ganz vergessen wird? So kommt es nach meiner Einschätzung insbesondere darauf an, sich zurückzubesinnen auf die Wurzeln - auf die Wurzeln unserer Existenz.
Es gilt, sie ins Bewusstsein zu rücken, sie zu stärken und zu pflegen und vielleicht auch neue Wurzeln wachsen zu lassen.
Diese Rückbesinnung ist Aufgabe des persönlichen, inneren Wachstums. Wir können sie als Ruf des Lebens verstehen.

Wie vorne betont, steht bei den Antworten zu den Fragen der Zeit ein Begriff im Mittelpunkt: Wachstum. Meine Antwort dazu:
Ja, Wachstum ist dringend not-wendig. Es sollte auf der Agenda der Verantwortlichen ganz oben stehen. Aber, nicht vor allem Wachstum in den meist gemeinten und gewohnten Kategorien, nämlich als Steigerung von wirtschaftlicher Effizienz, noch besserer Produktivität, noch vielfältigerer Produkte etc. So bedeutungsvoll diese Art von Wachstum sein mag, sie beinhaltet vor allem äußeres, sicht- und greifbares Wachstum.
Doch für das Gesund- und Heilsein des Menschen wie der Gesellschaft insgesamt und insbesondere auch für ein bewusstes nachhaltiges Handeln des Einzelnen, ist nach meiner festen Überzeugung eine grundsätzliche Neuorientierung, ein Paradigmenwechsel notwendig, nämlich

die gezielte Hinwendung der Menschen zu einem mit hoher Priorität versehenen „inneren, persönlichen Wachstum“, das Geist, Seele und Körper gleichermaßen einbezieht. Mit ihm werden die eigenen Lebenswurzeln gepflegt und gestärkt.
Diese Forderung möchte ich insbesondere auch einbetten in das Fundament unseres Gesellschaftssystems:
Demokratisch orientierte Gesellschaften werden geprägt nicht nur von der individuellen Reife ihrer führenden Köpfe, sondern insbesondere auch von der Reife jedes/jeder Einzelnen und insbesondere: Von der Fähigkeit, mit der gebotenen „Freiheit“ verantwortungsbewusst umzugehen!
Die Demokratie als Herrschaft des Volkes wird auf Dauer nur überleben können, wenn ihre Mitglieder sich als „demokratiefähig“ erweisen.
Die klaren Worte von J.H. Pestalozzi (1746-1827) haben auch im 21. Jahrhundert nicht an Bedeutung verloren. Er meinte sinngemäß „die beste Verfassung taugt nichts, wenn die Menschen nicht fähig sind, ihre Inhalte auch zu leben.“
Die hier formulierte Qualität von Wachstum fördert auch die Demokratiefähigkeit der Staatsbürger und deren Kompetenz zum hohen Gut der Freiheit.

Um was geht es beim inneren, persönlichen Wachstum?

In seiner jahrmillionen langen Entwicklung war Leben immer bestimmt von evolutiven Prinzipien. Überleben konnten nur die „am besten angepassten“ Lebewesen (Survival oft the Fittest/Charles Darwin). Sie waren es, die Fortschritte und Errungenschaften bewirkten.
So leben wir auch heute nicht in einem fertigen, für immer vollendeten Universum. Der evolutive Prozess hält an, der ganze Kosmos ist in ständiger Bewegung und Entwicklung.

In diesen evolutiven Prozess sind wir Menschen eingebettet, wir gestalten ihn mit. Mit unserer Geisteskraft und unserem fortgeschrittenen Bewusstsein sind wir für Entwicklung und Wachstum geradezu prädestiniert:

Unsere Persönlichkeit möchte und soll hineinwachsen in ihre Einzigartigkeit.

Wir sind zwar in der genetischen Grundausstattung auf bestimmte Dispositionen festgelegt, doch die in uns angelegten geistigen, seelischen und körperlichen Potenziale wollen und können sich weiter entfalten. Unterstützt wird dies von dem heutigen Wissen, dass nicht die Gene alleine unser Schicksal bestimmen, sondern dass wir mit unserem Verhalten und Denken die Genregulation maßgeblich beeinflussen (Epigenetik).
So sind wir nicht passiv Beteiligte beim eigenen Lebensprozess, sondern aktiv Mitwirkende. Wir wirken mit bei der Entwicklung der Persönlichkeit, und wir sind maßgebliche Mitgestalter gesellschaftlichen Lebens und dessen Zukunft.
Diesen persönlichen Wachstumsweg unterstützt die Einsicht, dass Leben offen ist für mehr Leben sowie die Bereitschaft, sich immer wieder auf neue Wege zu wagen und Altes und Verbrauchtes loszulassen.
Die bekannten Worte von Heraklith „panta rhei“ (alles fließt) haben nichts von ihrem Gewicht verloren, ja, eher noch an Bedeutung gewonnen.
Es sind vor allem die Vertreter der Humanistischen Psychologie und der modernen Gehirnforschung, die herausstellen, dass wir vom Bedürfnis geprägt sind, zu wachsen und uns zu entfalten. Sie betonen, dass Menschen, denen dieses Wachstum versagt bleibt, Entscheidendes fehlt, weil sie am unbewusst ersehnten Lebens-Sinn vorbeileben.

Anmerkung:
Das Thema „persönliches Wachstum“, verbunden mit dem Begriff „Selbstverwirklichung“, wird oft missverstanden, fehlgedeutet und in Misskredit gebracht mit der Begründung, es gehe dabei um äußere Erfolge und Status, um egoistisches Durchsetzen von eigenen Interessen auf Kosten anderer. Vor dem Hintergrund propagierter Erfolgsrezepte der vergangenen Jahrzehnte und auch durch den Einfluss mancher esoterischer Praktiken kann dieses Missverständnis nachvollzogen werden. Richtig verstanden aber ist Wachsen und Reifen wie vorne betont, eine für den Menschen - wie für die Gemeinschaft - existenzielle Aufgabe.

Das Ziel von innerem, persönlichem Wachstum

Wie schon betont, hat persönliches Wachstum zum Ziel, sich zur ganzheitlichen Persönlichkeit zu entwickeln und die individuell mögliche Reifestufe zu erlangen.
Es ist ein Übungs- und Erfahrungsweg, mit dem angestrebt wird:

  • die möglichst volle Entfaltung der dem Menschen mitgegebenen Talente und Potenziale und mit ihnen hineinzuwachsen in die einzigartige Persönlichkeit, die man ist.
  • mehr Klarheit über sich selbst (Selbst-Erkenntnis) und damit mehr Verständnis für die Mitmenschen zu gewinnen. Dies beinhaltet auch die Einsicht in die eigenen Grenzen und Akzeptanz der persönlichen Licht- und Schattenseiten.
  • immer mehr innere Freiheit zu erlangen, die innere Autorität zu stärken und so unabhängiger zu werden von äußeren Einflüssen. Aktuelle Geschehnisse können distanzierter eingeordnet werden, die Aufgeregtheiten der Zeit verlieren ihren oft mächtigen Einfluss. So können wir uns dem annähern, was wir in der Tiefe unseres Herzens ersehnen, nach dem wir auf unterschiedlichen Wegen suchen: Lebensfülle und Lebens-Sinn.
  • die Entwicklung von Bewusstheit für das Wunder Leben, für die Großartigkeit von Leben – auch des eigenen Lebens. Diese Bewusstheit sensibilisiert und verpflichtet zur Teilhabe an dem notwendigen Wandel. Mit zunehmender Bewusstheit gewinnt der Mensch Einsicht in die tiefe Verbundenheit mit allem Lebendigen. Mit ihr spürt er die Verantwortung für das Ganze. Die Stimme des Herzens wird unüberhörbar, und es wächst die Liebes-Fähigkeit: sich selbst gegenüber, gegenüber den Mitmenschen und der ganzen Kreatur.

Inhalte und Wege

Diese Art von Wachstum gelingt vor allem über den Weg von Wissen + Erfahrung.
Es ist ein Prozess, bei dem wir uns mit Kernfragen und Kernkompetenzen des Lebens auseinandersetzen: Auf der Grundlage heutiger wissenschaftlicher Erkenntnisse, aber auch die immer noch gültigen Weisheitslehren der Menschheit sollten ihren Raum finden.

Mögliche Themen

für den Wachstum-Prozess, der unsere „Wurzeln“ pflegt und stärkt:

  • Das Wunder Mensch-Sein
  • Mensch, erkenne dich selbst / Wer bin ich? Licht- und Schattenseiten erkennen
  • Die weite Welt des Denkens – die herrschende Welt der Gefühle
  • Leben ist Beziehung - die Kultur des Miteinanders, des Verbundenseins - versöhnt leben mit sich und mit den Anderen
  • Mein Lebensauftrag / Wozu bin ich da?
  • Lebens-Sinn / Auf dem Weg der Liebe

Alle diese Themen haben für uns alle einen hohen Stellenwert. Sie begleiten uns das ganze Leben, von den Jugendjahren bis ins Alter.

Bei dem Wachstumsprozess geht es vor allem darum,

  • zu wissen und zu verstehen
  • einzuüben und zu tun
  • Erfahrungen zu sammeln und in das Leben zu integrieren. Erfahrungen fördern Erkenntnisvermögen und ermutigen, weiter zu gehen. „Wirklich“ verstehen kann nur, wer selbst erfahren hat. Eine wichtige Stütze auf dem Wachstums-Weg sind Resonanzerfahrungen durch den Dialog mit Menschen, die in ihrer Sehnsucht nach Ganz-Sein auch unterwegs sind.

Warum sind die Möglichkeiten des persönlichen Wachsens oft nicht bewusst?

Angemessene Antworten dazu sind nicht einfach, viele Aspekte, die weit in die Vergangenheit reichen, spielen eine Rolle.
Zunächst sollten wir im Blick haben, dass menschliches Verhalten und Mühen sich immer auch auf Möglichkeiten konzentriert, die das Überleben der Spezies Mensch sichert. Dies entspricht dem Programm, das uns von der Evolution mitgegeben ist. Doch mit zunehmender Bewusstheit erkennen wir, dass erfülltes, ganzheitliches Menschsein viel mehr ist, als die überlebensnotwendigen Bedürfnisse zu befriedigen.

Sehr einflussreich auf die Entwicklung individuellen und gesellschaftlichen Lebens war in der Vergangenheit (bis heute) ein ausgeprägtes rationalistisch-kognitives Denken. Ganz im Sinne des bekannten Satzes von René Descartes (franz. Philosoph, 1596-1650 n. Chr.) „cogito ergo sum“ (ich denke, also bin ich), der eine einseitig rationale Orientierung forcierte. Für das, was uns die Stimme des Herzens, der Seele, die Stimme des denkerisch nicht Fassbaren sagen wollte, war wenig Raum. Ja, diese Stimmen wurden eher nicht ernst genommen, vielleicht sogar belächelt. Der ganzheitliche Blick auf Grundthemen, auf die Wurzeln menschlichen Lebens, ging mehr und mehr verloren.
So wurde (und wird oft auch heute noch) den Menschen in den Phasen des Heranwachsens und auch später vor allem vermittelt, dass man sich für ein gutes Leben um äußere Erfolge und materielle Sicherheiten mühen soll. Ein ausgeprägtes Sach- und Nutzendenken, ein materialistisch orientiertes Weltbild stand und steht im Vordergrund. Es war wenig Platz für das Geheimnisvolle des Lebens, für das rational nicht Fassbare, für tiefergehende existenzielle Themen.
Die Welt des Habens versprach Glück. Der Mensch wurde zu einem Macher und Nutzer der Schöpfung und der von ihm geschaffenen Dinge und vielleicht auch abhängig von ihnen.
Der Kontakt zu dem großen, inneren Vermögen, zu dem spezifisch Menschlichen, wurde vernachlässigt oder ging ganz verloren.

Doch es ändert sich etwas. Es wird uns immer mehr bewusst, dass ein Richtungswechsel dringend notwendig ist. Auch weil mit dem dominierenden Machbarkeitsdenken und einem ausgeprägten Konsumverhalten die Menschheit sich der Grenze ihrer Existenz nähert oder sie vielleicht schon überschritten hat.
Wir können das Versäumte nachholen.
Je mehr wir wissen über das bewundernswerte Schöpfungsgeschehen, das uns hervorgebracht hat, umso deutlicher können wir den hohen Stellenwert persönlichen Wachsens und Reifens erkennen.
Denn vor allem mit seinen inneren Kräften findet der Mensch das, was er letzten Endes sucht und sich sehnlichst wünscht: Inneren Frieden, Lebenssinn, Lebensfülle.

Wachstums- und Reifestufen

Sehr interessant und aufschlussreich für den Wachstumsweg sind die menschlichen Wachstums- und Reifestufen. Es gibt dazu verschiedene Konzepte.
Eine Möglichkeit bietet uns das Modell der Humanistischen Psychologie, das von A. Maslow und Kollegen entwickelt wurde. Auch wenn das Konzept schon vor Jahrzehnten entstand, ihre Kernaussagen gelten bei einer Interpretation im Sinne der Verfasser noch immer.
Es ordnet stufenweise die für den Menschen wichtigen Bedürfnis- und Reife-Ebenen. Sie entwickeln sich von biologischen Bedürfnissen (Nahrung, Gesundheit u.a.) über physische (Sicherheit, Vorsorge u.a.) und die psychisch-sozialen Bedürfnisse (Kontakte, Wertschätzung u.a.) hin zur höchsten Ebene von Sinn und Transzendenz und: Liebe.
Besonders beeindruckend: In diesen Ebenen spiegeln sich auch die Phasen der Menschheits-Entwicklung von den biologischen/körperlichen zu den geistigen und seelischen Themen wider.
Und: Sie sind ein Spiegelbild der individuellen Entwicklung vom abhängigen Kleinkind über die Jugendjahre und das Erwachsenenalter bis zum Hineinwachsen in die reife Persönlichkeit.
Die Bedürfnisse haben für uns Menschen einen ganz unterschiedlichen Stellenwert – je nach Wachstums- und Reifestand. Eines aber ist uns allen gemeinsam:

Die tiefe Sehnsucht nach Lebenssinn, nach etwas, das menschliches Mühen und Haben übersteigt (Transzendenz) und nach Liebe. Diese Kernbedürfnisse werden auf der obersten Stufe angesiedelt. Solange der Mensch dazu keine stimmigen Antworten gefunden hat, neigt er zu Unzufriedenheit oder widmet sich ego-orientierten Ersatzbefriedigungen, die häufig in einem ausgeprägten Konsum- oder Suchtverhalten sichtbar werden (s. unten Erikson E.).

C. G. Jung (Psychiater 1875-1961) findet dazu deutliche Worte:

„Der Nährboden der Seele ist das natürliche Leben. Wer dieses nicht begleitet, bleibt in der Luft hängen und erstarrt. Darum verholzen so viele Menschen im reifen Alter, sie schauen zurück und klammern sich an die Vergangenheit mit geheimer Todesfurcht im Herzen. Sie entziehen sich dem Lebensprozess wenigstens psychologisch und bleiben darum als Erinnerungssalzsäulen stehen, die sich zwar noch lebhaft an ihre Jugendzeit zurück erinnern, aber kein lebendiges Verhältnis zur Gegenwart finden können. Von der Lebensmitte an bleibt nur der lebendig, der mit dem Leben sterben will.“

Ein weiteres, auch lebensnahes Konzept ist das des Psychoanalytikers Erik H. Erikson (1902 – 1994). Danach entwickelt sich das persönliche Leben in acht Reifestufen.
Es beschreibt diese Stufen in der jeweils positiven, gesunden Ausprägung, zeigt aber auch die Merkmale auf, wenn eine gesunde Entwicklung nicht gelingt.
Die ersten sechs Stufen beinhalten das Säuglingsalter bis zum frühen Erwachsenenalter. Ich konzentriere mich hier auf die 7. Stufe (Mittleres Erwachsenenalter) und die 8. Stufe (Reifes Erwachsenenalter).
Im „Mittleren Erwachsenenalter“ sind die Hauptthemen das Streben nach schöpferischer Leistung, Leben weitergeben, Verantwortung für die Mitmenschen und für die künftige Generation (Generativität) übernehmen.
Die negative Ausprägung dieser Phase zeigt sich in einer ego-orientierten Haltung, im Aufgehen in eigenen Interessen, in einer vorwiegenden Beschäftigung mit sich selbst, gekoppelt mit dem Gefühl von Stillstand. Man verweigert sich der Verantwortung für andere und für das Ganze. Das „Reife Erwachsenenalter“ ist geprägt von der Annahme der eigenen Lebensgeschichte und der Menschen, die diese Geschichte mitbestimmt haben. Dazu gehören insbesondere das Ausgesöhntsein mit den Eltern und frei zu sein von dem Wunsch, sie mögen anders gewesen sein.

Auf Grund seiner Verbundenheit mit den Menschen übernimmt der Mensch Verantwortung für das Wachstum Anderer. Leben zu mehren ist ein besonderes Anliegen. Die Themen Alter und Tod werden nicht verdrängt, sondern akzeptiert als natürliche Prozesse des Lebens. Nach Erikson ist dies auch die Stufe der Weisheit.
Bei einer negativen Entwicklung lässt sich der Mensch von Rechthaberei, Besserwisserei, Verächtlichmachung von Menschen und neuen Entwicklungen leiten, begleitet von chronischem Zynismus und der Orientierung an äußerem Schein und Besitz (s. oben Zitat C.G. Jung: „Menschen verholzen“). Die Angst vor dem Tod, nicht annehmen können, dass Leben zu Ende geht, kann zu Verzweiflung und Lebensverdruss führen.
Die unversöhnten Erfahrungen des eigenen Lebens, das Nicht-Versöhntsein mit sich selbst, sind die Hauptursachen für ein Verhalten dieser Ausprägung.

So stellt sich uns die Frage:
Wie kann es gelingen, Menschen für diesen Wachstumsprozess zu sensibilisieren, sie für den Weg zu motivieren?
Meine Antwort:

Die herausgehobene Verantwortung der Pädagogik und der Bildungseinrichtungen
Unabhängig von der ganz persönlichen, individuellen Verantwortung spielen in diesem Bemühen um persönliches Wachstum die Institutionen der Pädagogik und Weiterbildung eine herausragende Rolle.
Deren vordringliche Aufgabe ist es, neben den Erziehungsverantwortlichen, die heranwachsenden Menschen für diese zentrale Lebens-Aufgabe zu sensibilisieren und vorzubereiten.
Bei den Lehrplänen für junge Menschen an allen Schularten und auch für die Studierenden an den Universitäten sollten die Grundthemen menschlicher Existenz und des eigenen Lebens ganz oben angesiedelt sein.
Ebenso bei den vielfältigen Angeboten der Fort- und Weiterbildungseinrichtungen.

Ganz zum Schluss noch einen Impuls von Hans Urs von Balthasar, eines bedeutenden Denkers des vorigen Jahrhunderts, der nach meiner Einschätzung nichts von seiner Bedeutung verloren hat:

„Theorien und Konzepte haben wir genug,
und nun kommt es auf den Test auf den Ernstfall an“.

Die Gedanken und Impulse dieses Positionspapieres wollen dazu anregen.

Eine Anmerkung

Ich hoffe, dass es mir gelungen ist, die Forderung nach einem persönlichen und gesellschaftlichen Paradigmenwechsel, der das Eigentliche, das Wesentliche von Mensch-Sein im Blick hat, überzeugend darzustellen und zu begründen.
Wie eingangs betont, gibt es auch bei diesem komplexen Thema keine fertigen Antworten. Es kann immer nur um ein Herantasten an mögliche Antworten gehen. Um Einsichten, um Inspiration und lebensdienliche Impulse für ein Leben, das sich nicht von oberflächlichen Zeitgeisterscheinungen blenden und verführen lässt. Für Anregungen dazu bin ich dankbar.

Anlagen

1 – Der begrenzte Blick der Wissenden und Experten
Vorlesung Prof. Hessen aus dem Jahr 1932
2 – Literatur-Hinweise

10. Februar 2023 - Dieter Hirsmüller

 

(Anl. 1)

Der begrenzte Blick der Wissenden und Experten – im Jahr 1932!

(Auszug aus den Vorlesungen von Dr. Johannes Hessen, Professor der Philosophie an der Universität Köln, im Wintersemester 1931/32 im Auditorium maximum der Kölner Universität)

„… Befinden wir uns nicht schon in einem Zustand, in dem der Mensch in den entscheidendsten Fragen seines Daseins von der Hand in den Mund lebt, von seiner Eintagserfahrung …?
Das Gesagte gilt nicht bloß von vielen Gebildeten und Halbgebildeten, es gilt leider auch von vielen Forschern und Gelehrten. Sie besitzen zwar ein phänomenales Wissen auf ihrem Spezialgebiet, haben aber nie über die Grenzpfähle ihrer Spezialwissenschaften hinausgeschaut. … Gegenüber den tiefsten und letzten Fragen des Daseins stehen sie so hilflos gegenüber wie ein Kind. Solche Männer mögen noch so stolz auf ihr Wissen sein, geistige Führer und Wegbahner können sie nicht sein. … Zum geistigen Führertum gehört mehr als Wissen, dazu gehört Weisheit.“.
(Johannes Hessen, Der Sinn des Lebens, Bader’sche Verlagsbuchhandlung Rottenburg, 3. Aufl. Juni 1947)

Und heute – 90 Jahre später?
Im Jahr 2023?

 

(Anl. 2)

Literatur-Hinweise

Bauer Joachim, „Prinzip Menschlichkeit“, Heyne
Böschemeyer Uwe, „Worauf es ankommt“, Piper
Branden Nathaniel, „Die sechs Säulen des Selbstwertgefühls“, Kabel
Brost M./Wefing H., „Geht alles gar nicht“, rowohlt
Crisand Ekkehard, „Psychologie der Persönlichkeit“, Sauer-Verlag
Cube von Felix, „Fordern statt verwöhnen“, Piper
Dockendorff Roswitha, „Wunden, die zum Leben führen“, Patris-Verlag
Dürckheim Karlfried Graf, „Mein Weg zur Mitte“, Herder
Dürr Hans-Peter, „Geist, Kosmos und Physik“, Crotona Verlag
Ellis Albert, „“Grundlagen der Rational-Emotiven Verhaltens-Therapie“, Pfeiffer
Erikson Erich H., „Der vollständige Lebenszyklus“, Suhrkamp
Fisseni Hermann-Josef, „Persönlichkeitspsychologie“, Hogrefe
Frankl Viktor E., „Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn“, Piper
Fromm Erich, „Die Kunst des Liebens“, Heyne
Goleman Daniel, „Emotionale Intelligenz“, dtv
Hirsmüller Dieter, „Mutmacher SEIN“, Colleg für Führung und Persönlichkeit
Hirsmüller Dieter, „Liebe, die uns werden lässt“, BoD
Hessen Johannes, „Der Sinn des Lebens“, Bader’sche Verlagsbuchhandlung
Hösl Gattus, „Der MiteinanderMensch“, Junfermann
Hüther Gerald, „Bedienungsanleitung für ein menschliche Gehirn“, Vandenhoeck+Rup.
Jung C. G., „Briefe“, Walter-Verlag
Kast Verena, „Schlüssel zu den Lebensthemen – Konflikte anders sehen“, Herder
Knapp Natalie, „Kompass neues Denken“, rororo
Küng Hans, „Der Anfang aller Dinge“, Piper
Légaut Marcel, „Meine Erfahrung mit dem Menschen“, Herder
Lesch Harald/Zaun Harald, „Die kürzeste Geschichte allen Lebens“, Piper
Marti Lorenz, „Eine Hand voll Sternenstaub“, Kreuz
Maslow Abraham A., „Motivation und Persönlichkeit“, Rowohlt
Meibom von Barbara, „Wie Kommunikation gelingt“, VIA Nova
Müller Lutz, „Lebe dein Bestes – Individuation und Lebenskunst, Walter
Opaschowski Horst W., „Was uns zusammenhält“, OLZOG München
Peters Tom, „Der Innovationskreis“, Econ
Pieper Josef, „Lesebuch“, Schwabenverlag
Potreck-Rose F./Jacob G, „Selbstzuwendung, Selbstakzeptanz“, Klett-Cotta
Reddemann Luise & Jana Stasing, „Inspiration“, Psychotherapie-Verlag
Rogers Carl R., „Entwicklung der Persönlichkeit“, Klett-Cotta
Schneider Wolf, „Die Sieger“, Piper
Schulz von Thun Friedemann, „Miteinander reden“, Bd. 1, 2, 3, Rowohlt
Senge Peter M., „Die fünfte Disziplin“, Klett-Cotta
Servan-Schreiber David, „Die Neue Medizin der Emotionen“, Goldmann
Staehelin Balthasar, „Heilung geschieht von innen“, Herder
Tausch Reinhard, „Hilfen bei Stress u. Belastung, rororo
Wiegandt Klaus (Hg.), „Mut zur Nachhaltigkeit“, Fischer
Wilber Ken, „Eine kurze Geschichte des Kosmos“, Fischer