Colleg für Führung und Persönlichkeit

Colleg für Führung und Persönlichkeit
Dieter Hirsmüller

Der Weg der Versöhnung

Vergeben und befrieden

1. Frieden stiften – Gemeinschaft fördern

Die Tragweite dieses großen Themas „Versöhnung“ wird uns eindringlich bewusst, wenn wir die aufreibenden und zerstörerischen Konflikte, ob in den Familien, in gesellschaftlichen Gruppierungen oder zwischen den Staaten und Mächten der Welt betrachten und insbesondere auch, wenn wir einen Blick in die Geschichte der Menschheit werfen. Man könnte daraus schließen, dass eher Unfrieden und Unversöhnlichkeit vorherrschen.
Umso drängender stellt sich die Frage nach den Möglichkeiten von Versöhnung und Vergebung.
Versöhnung kann mit Aussöhnung (lat. reconciliatio), in Verbindung gebracht werden, was bedeutet „die Gemeinschaft wieder aufnehmen“, „Frieden stiften“.

ZUM INNEHALTEN

  • Gelingt es den Menschen, sich zu versöhnen? Was beobachten Sie diesbezüglich?
  • Warum fällt es nach Ihren Erfahrungen so schwer, sich zu versöhnen?

2. Die Heilkraft der Vergebung und Versöhnung

Die heutige Gesundheitsforschung und Psychologie haben einen alten biblischen Begriff, der lange Zeit als verstaubt galt, neu entdeckt: die Vergebung.
Sie bestätigen Erfahrungen, die wir immer wieder machen:

  • Je unversöhnter der Mensch lebt, je mehr Wut oder Ärger anderen gegenüber herrschen, umso mehr produziert der Körper stress-auslösende chemische Substanzen. Sie belasten die physische und psychische Gesundheit. Schwächung des Immunsystems, Herzkrankheiten sind u.a. die Folgen.
  • Wer nicht vergeben will oder vergeben kann, bindet wertvolle seelische Energie und verschwendet eigene Lebenskraft in Hass, Rachegedanken und Bitterkeit.
  • So ist es wichtig – und möglich –, aus der passiven Opferrolle auszusteigen und sich auf den Weg der Versöhnung zu begeben. Sich versöhnen und vergeben ist nicht nur heilsam, es ermöglicht neue Entwicklungen und neues Leben. Mit der Versöhnung kann der Mensch Fesseln der Vergangenheit lösen und damit Freiräume schaffen. Mit ihr beschenkt er sich selbst.
  • Es ist immer wieder ermutigend, wie es Menschen gelingt, aus unheilvollen persönlichen Verstrickungen, aus langjährigen Familienfehden auszusteigen und Frieden zu schließen. Sie geben Zeugnis für die dem Menschen innewohnenden Kräfte und die Fähigkeit, schwierige Situationen zu bewältigen. Die Psychologie spricht von „Resilienz“ (Widerstandsfähigkeit).
  • Eine wichtige Voraussetzung für die Versöhnung mit den Mitmenschen ist ein gesundes Maß an Selbstliebe und das Versöhntsein mit sich selbst (siehe nachfolgend).

Loslassen und Verabschieden gelingen nur „im Guten“
„...Aber man kann sich, wovon auch immer, einzig und allein im Guten verabschieden oder gar nicht. Was nicht befriedet ist, kommt nicht zur Ruhe. Es wird durch die Gegenwart hindurchgeschleppt wie eine schwere Last und vergiftet auch noch die Zukunft. Es ist ständig da, hängt gleichsam in der Luft und gibt den Menschen nicht frei zu seinem Eigentlichen. Insbesondere familiäre Fehden, Konflikte hängen ihm wie schwere Gewichte an den Beinen und verunmöglichen das Vorankommen in eigener Sache ...“
ELISABETH LUKAS
(„Spirituelle Psychologie“ – Kösel 1998)

3. Schritte auf dem Weg der Versöhnung

Beim Versöhnungsprozess, unabhängig davon ob andere oder Sie selbst Auslöser eines Konfliktes waren, können Sie mit vier Schritten vorgehen – analog zur Versöhnung mit sich selbst:

  • Reflexion: Um was geht es?
  • Gründe und Ursachen
  • Vergeben, Schlussstrich ziehen
  • Nachhaltigkeit

a) Reflexion: Wie schon mehrfach betont, kann nur losgelassen und vergeben werden, was einem bewusst und angenommen ist. So geht es zunächst um eine möglichst realistische, vorurteilsfreie Nachbetrachtung: Was genau ist passiert? Was hat Sie so getroffen? Was macht Ihnen diesbezüglich heute noch zu schaffen?

b) Gründe: Es ist wichtig, sich nochmals in die konfliktauslösende Situation hinein zu begeben, sie nachzuempfinden, sich in sie einzufühlen.
Was hat den anderen wohl zu diesem Verhalten bewogen? Welche Motive hatte er vermutlich? Haben Sie selbst Anteil an den Sie kränkenden Vorgängen, haben Sie selbst dazu beigetragen, dass es zum Konflikt kam?
Falls Sie der Auslöser des Konfliktes sind: Was waren die Ursachen für Ihr Verhalten, mit dem Sie andere verletzt haben?
Man kann (sollte) die mit den Antworten verbundenen Emotionen wie Schmerz, Ärger und Wut nochmals zulassen, sie förmlich nochmals durchleben – um sie dann lassen und abgeben zu können. Am besten gelingt dies im Gespräch mit einem lebenserfahrenen Menschen.

c) Vergeben und Schlussstrich ziehen: Die ernsthafte Bereitschaft und der Wille der Beteiligten ist eine gute Ausgangslage dafür, das Geschehene und die damit verbundenen Kränkungen, Irritationen sowie Enttäuschungen der Vergangenheit zuzuordnen, sie loszulassen, und so den Weg für einen Neuanfang zu ebnen. Am besten gelingt dies, wenn wir offen den betreffenden Vorgang und die Folgen kommunizieren und dabei das Interesse für eine Bereinigung signalisieren.
Wir können dann das Geschehene durch ein ehrliches Bedauern und durch die Vergebung verabschieden und, falls angemessen, durch ein sich Entschuldigen. Eventuell ist auch eine Wiedergutmachung materieller Art notwendig.
Dieser Prozess kann am besten bei einem direkten Gespräch gelingen, aber auch durch einen schriftlichen Kontakt mit der betreffenden Person.
Falls ein Kontakt wegen Tod oder Weigerung des oder der Beteiligten nicht ermöglicht werden kann, ist die ehrliche Vergebung dennoch möglich und wirksam, weil sie Sie entlastet. So bleiben Sie unabhängig von der Bereitschaft des oder der anderen, eine Versöhnung anzustreben, bzw. einen Kontakt wieder aufzunehmen. In diesem Fall besteht die Möglichkeit einer stellvertretenden Wiedergutmachung, z. B. Spende, Übernahme einer sozialen Aufgabe.

d) Nachhaltigkeit: Es ist nicht auszuschließen, dass alte Kränkungen trotz der Vergebung wieder hochkommen. Auch dann gilt: Man kann die mit den Kränkungen verbundenen Gedanken und Gefühle einfach zur Kenntnis nehmen, sie dann aber wieder gehen lassen, sie freundlich verabschieden – ohne Schuldzuweisungen an sich oder an andere. Bedenken Sie, wir dürfen immer wieder neu anfangen!

ZUM INNEHALTEN

  • Sehen Sie die Notwendigkeit, sich mit jemandem zu versöhnen, Frieden zu schließen?
  • Warum ist Ihnen die Versöhnung wichtig?
  • Wann wollen Sie den ersten Schritt tun?
  • Falls es Ihnen schwerfällt, sich alleine auf den Prozess der Versöhnung zu begeben, bitten Sie eine Person Ihres Vertrauens um Unterstützung. Wer kommt in Frage?

4. Und noch Bedenkenswertes:

a) Die menschliche Substanz ist die gleiche
Wenn man weiß und dies auch akzeptiert, dass man selbst fehlen und sich irren kann, dass in einem selbst die Möglichkeit zum Bösen und Abgründigen vorhanden ist – ja, dann fällt es leichter, sich mit anderen zu versöhnen und vor allem: Selbst nicht zu schnell zu urteilen, zu verurteilen, wenn andere schuldig werden.
Diese Einsicht kann helfen, barmherziger und verständnisvoller durch die Welt zu gehen und Menschen vorbehaltloser zu begegnen. ERICH FROMM: „Wenn ich mich ganz selbst erlebe, dann erkenne ich, dass ich auch nicht anders bin als jeder andere Mensch, dass ich das Kind, der Sünder, der Heilige, der Hoffende und der Verzweifelnde bin, der Mensch, der sich freuen, und der Mensch, der traurig sein kann. Ich entdecke, dass nur die Denkmuster, die Sitten, die Oberfläche verschieden sind, dass aber die menschliche Substanz die gleiche ist. Ich entdecke, dass ich jedermann bin und dass ich mich selbst erfahre, wenn ich meinen Mitmenschen entdecke und umgekehrt.“

b) Bleiben Sie bei sich und bei Ihren eigenen Werten!
Sollte Ihnen trotz aller Bemühungen eine Konfliktbereinigung, die der andere mitträgt, nicht gelingen, müssen Sie nicht ohnmächtig einer kräfteraubenden Konfliktsituation ausgeliefert bleiben. Sie selbst haben es in der Hand, für sich eine Änderung herbeizuführen durch den Blick auf Ihre inneren Werte. Ohne Rückbesinnung auf sie laufen wir Gefahr, im aufreibenden Konfliktgeschehen, und besonders dann, wenn eine Lösung nicht gelingt, diese uns wichtigen Werte zu vernachlässigen oder ganz zu vergessen. Wir starren dann gebannt auf das Geschehene, auf eine ausweglos erscheinende Situation mit all den negativen Folgen.
Eine radikale Hinwendung zu Ihren Werten hilft, die Aufmerksamkeit in jeder Situation umzulenken. Mit einem höflichen Umgang, mit einem ruhigen Sprechen. Und immer und „dennoch“ können wir dem anderen mit Respekt begegnen. So gewinnen Sie Souveränität zurück und vielleicht auch den Respekt der Beteiligten.
Bei den eigenen Werten bleiben, ist nach meinen Erfahrungen eine wunderbare Möglichkeit, innerlich frei zu werden und unabhängig vom Verhalten und den Worten anderer! Wenn es nicht gelingt, haben andere Macht über Sie.

Und bitte bedenken wir:

Bei dem ehrlichen Bemühen, sich zu versöhnen
und zu vergeben sind Sie nicht alleine.
Der lebenspendende Schöpfergeist ist mit Ihnen,
ihn können Sie zu Rate ziehen, ihm dürfen Sie sich anvertrauen.

Die Aussöhnung mit sich selbst

Den Lebensrucksack entlasten
Inneren Frieden finden

DIE GESCHICHTE VON JIMMY UND DEM ALTEN MANN

Den heranwachsenden jungen Jimmy zog es hinaus in die Welt. In seiner Aufgeschlossenheit und Neugierde interessierten ihn vor allem grundsätzliche Fragen nach dem Sinn des Lebens, nach dem Sinn von Not und Leiden, die er bei seinen Mitmenschen beobachtete. Er fragte „Warum muss alles so schwer sein?“, „Warum sind die Menschen mit sich und mit den anderen so oft unzufrieden?“
Mit diesen Gedanken ging er auf seine Pilgerreise, in der Hoffnung, unterwegs in anderen Ländern und bei anderen, vielleicht weisen Menschen Antworten zu finden.
Jimmy traf nach einiger Zeit einen alten Mann, der auf dem gleichen Weg war. Jimmy war froh, mit ihm gehen zu dürfen. Es fiel ihm auf, dass der alte Mann einen großen Rucksack, der sehr schwer zu sein schien, auf dem Rücken trug und er unter dieser Last gebückt und mühsam des Weges ging.
Jimmy nahm an, dass der Mann in diesem Rucksack die irdischen Güter mit sich trug, die er unterwegs benötigte. Als sie an einem Bach eine Rast einlegten, der alte Mann sich erschöpft niederließ, fasste Jimmy den Mut nachzufragen, was denn in diesem Rucksack sei. Er bot sich an, auf dem weiteren Weg den Rucksack zu tragen, er sei ja schließlich noch jung und voller Kraft.
„Nein, den kannst du nicht für mich tragen“ antwortete der alte Mann. „Den muss ich ganz alleine tragen“ und fügte hinzu: „Eines Tages wirst auch du alleine des Weges gehen und einen Rucksack tragen, der mindestens so schwer ist wie dieser hier.“
Auf all die Fragen, die Jimmy interessierten und die er auf dem weiteren Weg an den alten Mann stellte, bekam er keine Antworten. Er konnte nicht herausfinden, welch schwere Last sich in dem Rucksack befand.
Und dann, als der alte Mann spürte, seine Lebensreise geht zu Ende, erzählte er Jimmy von dem, was ihn so sehr belastet und niederdrückt. „Es ist die Last der Zweifel, der Enttäuschungen, der Bitterkeiten und der Irrwege, die sich im Laufe meines Lebens angesammelt haben und die ich nicht mehr losgeworden bin. Ohne sie wäre vieles leichter gewesen, ohne sie hätte ich meine Träume verwirklichen können. Jetzt ist es zu spät.“
Der alte Mann schloss die Augen und schlief ein – für immer.
Nach einer Weile traute sich Jimmy, gespannt und mit Neugierde den Rucksack zu öffnen. Der Rucksack war leer.
Jimmy machte sich auf den Heimweg – mit der Erfahrung einer heilsamen Lektion für „sein“ Leben.
(nacherzählt – Quelle nicht bekannt)

Und der eigene Lebens-Rucksack?

Wir alle tragen einen Lebens-Rucksack auf den Schultern. Er ist mehr oder weniger gewichtig beladen und drückt demgemäß auf den Körper und noch mehr auf die Seele – und bedrückt sie. Womit ist er beladen? Wie kann man ihn entladen und leichter machen? Es sind sehr wichtige, existenzielle Fragen, auf die ich hier eingehen möchte.

Nach meinen Erfahrungen haben wir Menschen vor allem ein Problem: Das Nicht-Versöhntsein mit sich selbst. Es ist ein so bedeutsames Thema, weil es die Lebenszufriedenheit und die psychische und physische Gesamtbefindlichkeit des Menschen massiv beeinflusst. Oft werden schwerwiegende Altlasten in diesem Rucksack mitgeschleppt, sie beschweren den Menschen selbst, aber dann auch die Beziehungen zu anderen. Wem die Selbstaussöhnung noch nicht gelungen ist, tendiert dazu, sich immer wieder selbst und auch die Mitmenschen anzuklagen, zu kritisieren und zu verletzen.
Anders herum lässt sich beobachten, je stärker der Mensch den Frieden in sich gefunden hat, umso besser gelingen Leben und Zusammenleben. Auch die heute so aktuellen Themen wie Stress und Burnout können nicht selten im Zusammenhang mit diesen belastenden, innerpsychischen Dimensionen gesehen werden.
Es sind vor allem sich wiederholende Selbstvorwürfe und die Nicht-Annahme der eigenen Lebensgeschichte mit all den Wunden, die sich im Körper, im Gehirn und Bewusstsein ablagern, ja förmlich einbrennen.

Auch auf dem Weg der Selbstversöhnung ist die Einsicht wichtig, dass nur losgelassen, abgegeben werden kann, was einem bewusst ist. Erst mit dem Bewusstwerden und der Annahme des Geschehenen kann der Prozess des Loslösens und der Verabschiedung beginnen. Zur Annahme gehört, den Widerstand aufzugeben.
Wie vorne betont, neigen wir aber dazu, belastende Erfahrungen zu verdrängen, sie nicht anzunehmen. Dies geschieht in der gut gemeinten Absicht, Schmerzhaftes von sich fern zu halten und auch das Selbstwertgefühl zu schützen. Doch Verdrängung bedeutet nicht Befreiung, auch wenn sich eine kurzfristige Erleichterung einstellen mag. Die verdrängten Erfahrungen entfalten ihre Wirkung unbewusst weiter, sie bestimmen Denken, Handeln und Fühlen mit.
Besonders bei älteren Menschen, bei denen die rationalen, intellektuellen Fähigkeiten schwächer werden und damit der Verlust von bisher geübter Kontrolle innerpsychischer Phänomene einhergeht, lassen sich Unversöhntes und Altlasten oft in einer tragischen Dimension beobachten. Zum Beispiel durch Rechthaberei, aggressives Verhalten, Anklagen, Lebensverdruss etc.

Selbstversöhnung bedarf eines achtsamen Prozesses, der Körper, Geist, Herz und Seele mit einbezieht. Mit ihm können tiefere Schichten der Persönlichkeit, in der die Verletzungen und Ängste abgespeichert sind, angesprochen werden.

Das Ziel ist, versöhnt zu sein

  • mit der persönlichen Lebensgeschichte, besonders
  • mit Kränkungen und Verletzungen, die man sich selber oder die andere einem zugefügt haben und
  • mit all dem, was man selber „angerichtet“ hat – auch anderen gegenüber.

„Die Seele verlangt nach innerer Ordnung, und zu dieser Ordnung gehört, dass ein Mensch so wenig wie möglich ungeordnet liegen lassen darf. Sie gibt keine Ruhe, bis wir uns mit den alten Verletzungen, Aggressionen, Traurigkeiten, Enttäuschungen, unerfüllten Wünschen, bis wir uns mit all dem, was unerledigt geblieben ist, noch einmal befasst haben... Niemand kann gegenwärtig leben, der zu dem, was er an Schwerem zurückgelassen hat, nicht Stellung bezogen hat. Darum ist die Versöhnung mit dem alten Leben eine hauptsächliche Voraussetzung für Sinnfindung hier und jetzt .... Das Unbewusste vergisst nichts.“
UWE BÖSCHEMEYER
(„Worauf es ankommt“ –Piper)

Auf dem Weg zur Selbstversöhnung ist vor allem der gute Dialog mit einer zuhörfähigen, lebenserfahrenen Person des Vertrauens von großem Wert. Erzählen Sie diesem Menschen, der zuhören kann, die Geschichte Ihres Lebens, die belastenden, vielleicht auch schuldbeladenen Erinnerungen. Beziehen Sie dazu Stellung und lassen Sie Ihre Emotionen zu, bringen Sie ganz ehrlich und hemmungslos zum Ausdruck, was Sie bewegt.
Sollte niemand da sein, dem Sie erzählen mögen, führen Sie in einer guten Atmosphäre ein Selbstgespräch oder ein Gespräch mit einer Person in Ihrer Vorstellung, vielleicht mit einer „weisen“ Person der Geschichte, die Sie mögen und schätzen.
Schreiben Sie auf, wie dieser Dialog verlief, was Sie dieser Person sagten, welche Bilder und vielleicht auch Antworten in Ihnen hochkamen. Das Aufschreiben kann wohltuend, weil erleichternd, sein. Sie schreiben sich Lasten von der Seele, negative Emotionen können den Weg nach draußen gehen.

ZUM INNEHALTEN

  • Fühlen Sie sich versöhnt mit sich selbst, mit Ihrer persönlichen Lebensgeschichte?
    Haben Sie das Gefühl, mit „innerem Frieden“ zu leben?
  • Falls nicht, was beschäftigt Sie noch?
    Worüber stolpern Sie immer wieder?
    Benutzen Sie für den Weg der Aussöhnung mit sich die nachfolgenden Schritte.

Schritte zur Aussöhnung mit sich selbst

a) Bewusstmachen
Dies beinhaltet, herauszufinden, was in Ihnen noch nicht versöhnt ist. Und, offen und ehrlich zu belastenden psychischen, seelischen Verletzungen und Wunden zu stehen.
Um was geht es? Nicht-Versöhntsein mit sich zeigt sich beispielsweise in der Selbstabwertung, in der Kritik und in Vorwürfen an sich selbst wegen persönlicher Niederlagen, eigenem Versagen und Scheitern. Aber auch unangemessene Kritik an Mitmenschen, das Unversöhntsein mit ihnen, sind Signale für ein Nicht-Versöhntsein mit sich.

b) Ursachen
Was sind die Motive für das sich selbst Anklagen, sich bedauern, sich erniedrigen? Was hält Sie davon ab, die Selbstvorwürfe aufzugeben? Ist es die Stimme des „inneren Kritikers“, des „inneren Widersachers“, der sich als lebensverneinender Geist meldet? Was sind die Motive für das Anklagen, Beschuldigen anderer?
Sind es alte Denkmuster?

c) Sich vergeben - Schlussstrich ziehen – Frieden finden

  • Machen Sie sich bewusst, dass Ihr Erwachsenen-Ich die Erfahrungen der Vergangenheit immer neu bewerten kann.
  • Sagen Sie „Ja“ zu der Möglichkeit, dass Sie sich mit den Wunden und Verletzungen, die Sie sich selbst oder die andere Ihnen zugefügt haben, aussöhnen und dass Sie Vergangenes loslassen können und dürfen.
  • Sagen Sie bedingungslos „Ja“ zu sich selbst, so wie Sie sind. Dies beinhaltet auch die Akzeptanz des persönlichen „Schattens“, also der dunklen Anteile der eigenen Person.
  • Danken Sie dem Leben für die Möglichkeit, sich von seelischen Belastungen zu befreien und innerlich „heil“ werden zu können.
  • Vertrauen Sie darauf, dass die Verletzungen und Wunden Ihres Lebens sich zu wertvollen „Perlen“ verwandeln lassen (H. v. Bingen), die Sie letzten Endes reicher und verständnisvoller machen.
  • Wie oben betont, ist das Gespräch mit einer Person des Vertrauens (oder der Selbst-Dialog) über diese Themen wichtig.
  • Vertrauen Sie auf die Kraft des Schöpfergeistes, der höheren Weisheit des Lebens, die Sie auf dem Weg der Versöhnung begleitet.
  • Und: Denken Sie immer wieder daran, weder Menschen, noch äußere Einflüsse, noch negative Erfahrungen können Sie daran hindern, den so wertvollen inneren Frieden zu finden und im inneren Frieden zu leben.

d) Nachhaltigkeit
Trotz des ernsthaften Bemühens um die Aussöhnung mit sich selbst kann es vorkommen, dass sich Erinnerungen an eigenes Versagen, an alte Wunden wieder melden. Wichtig ist dann, sich keine Vorwürfe zu machen, sich nicht dagegen zu wehren. Es kann hilfreich sein, den Anspruch, alle Wunden der Vergangenheit vollständig heilen zu wollen, aufzugeben. Wir können lernen, mit dem, was bleibt, anders umzugehen, auch durch Akzeptanz. Es empfiehlt sich, neu auftauchende Gedanken zur Kenntnis zu nehmen, ihnen aber keine weitere Aufmerksamkeit zu schenken und sie schließlich freundlich zu verabschieden.

EIN AFRIKANISCHES MÄRCHEN

Durch eine Oase ging ein Mann mit finsterer Miene. Er war so unzufrieden mit sich und der Welt, dass er nichts Blühendes und Schönes sehen konnte, ohne es zu verderben.
Am Rand der Oase stand ein junger Palmbaum im besten Wachstum. Für den Mann war die noch kleine Palme eine Provokation. Er nahm den schwersten Stein, den er finden konnte und legt ihn mitten in deren Krone. Befriedigt und mit Schadenfreude ob dieser Tat ging er weiter.
Die junge Palme versuchte, die schwere Last abzuschütteln. Doch vergebens, zu schwer war sie, zu fest saß der Stein in der Krone.
Da krallte sich die Palme mit ihren Wurzeln so tief als nur möglich in die Erde und stemmte sich gegen die steinerne Last.
Die Wurzeln senkten sich so tief, dass sie die Wasserader der Oase erreichten. Mit dem Wachstum fördernden Wasser aus der Tiefe und den Sonnenstrahlen aus der Höhe wuchs die Palme zum größten und schönsten Baum der Oase.
Nach Jahren kam der Mann wieder in die Oase und suchte nach der seiner Meinung nach inzwischen verkrüppelten Palme. Er fand sie nicht.
Da senkte die stärkste und stolzeste Palme ihre Krone, zeigte auf den Stein und sagte zu dem Mann: „Ich danke dir, deine Tat und die mir auferlegte Last, hat mich stark gemacht.“ (nacherzählt)

(Diese Texte stammen aus meinem Buch „Mutmacher SEIN / Staunen – Leben – Lieben / Wege zu persönlichem Wachstum“ - 2014)
Dieter Hirsmüller